Lufthansa mit Staatsbeteiligung? | Spiegel will 10 Millionen sparen
 

Gabor Steingart - Das Morning Briefing
03.04.2020
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Guten Morgen Gregor Hochreiter,
in jener Zeit, als die Welt noch harmlos schien, haben wir im globalen Dorf Aktienkurse, Olympiamedaillen und die Musikcharts verglichen.

Apple war nicht nur das wertvollste Unternehmen der Welt, sondern eine Stilikone.

Der Schwimmer Mark Spitz, neunfacher Olympiasieger und 35-facher Weltrekordler, war nicht nur ein erfolgreicher Sportler, sondern ein Wassergott.

Die Beatles, mit weltweit über 1 Milliarde verkauften Tonträgern, waren nicht nur die Nummer Eins der Popwelt, sondern gehörten zum kulturellen Inventar einer Generation.

Diese Vergangenheit ist vergangen. Seit die Welt beschlossen hat, zynisch zu werden, vergleichen wir nicht die Erfolge, sondern die Zahlen der Infizierten und Toten.
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Am gestrigen Abend um 21.45 Uhr meldeten die Nachrichtenagenturen den neuen Weltrekord: Über eine Million Corona-Infizierte  sind es mittlerweile, dazu rund 53.000 Todesfälle. Der liebende Gott hat sich in den zürnenden verwandelt.
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CSSE/Johns Hopkins University
 
Der „body count“, eine statistisch notwendige Grausamkeit des US-Militärs, fand Eingang in die allgemeine Morgenroutine der Völker: USA vor China, Deutschland weit hinter Italien, als Schlusslichter leuchten uns Südkorea und Japan. Nur wer es schafft, das Virus zurückzudrängen, schafft Raum für Leben.
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► Besonders trostlos stellt sich die Lage am heutigen Morgen in New York City dar. Ausgerechnet die Stadt, die angeblich niemals schläft, hat sich zum Corona-Hauptfriedhof der USA entwickelt. Das Verblüffende: Selbst im Sterben behält die Metropole ihre oft besinnungslose Hast bei. Zuletzt erstickte Corona alle 9,5 Minuten bei einem New Yorker Bürger das Lebenslicht.
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dpa
 
Italien liegt weiterhin in Europa an der Spitze des Grauens. Hier brach das Virus Ende Februar aus, die Regierung in Rom ist seither damit beschäftigt, mit polizeistaatlichem Aktionismus die Überforderung des Gesundheitssystems zu kaschieren.

Nach der Errichtung einzelner Sperrzonen gelten seit dem 10. März zwar landesweit Ausgangssperren, doch die Bürger wollen leben – und zwar so wie bisher. Eine wenig später nach Italien eingeflogene Delegation des chinesischen Roten Kreuzes konnte es kaum fassen:
Hier in Mailand, der am stärksten vom Virus betroffenen Region, wird die Ausgangssperre nicht konsequent durchgesetzt. Der öffentliche Nahverkehr ist noch immer in Betrieb und die Menschen bewegen sich noch immer frei in der Öffentlichkeit. Es werden Abendessen gegeben und in den Hotels finden Feiern statt. Niemand trägt Masken.
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So kam, was kommen musste: Bereits Mitte März waren laut dem Dachverband der ärztlichen Berufsvereinigung mehr als zehn Prozent des medizinischen Personals nicht mehr arbeitsfähig, also infiziert oder bereits tot. Mittlerweile meldet Italien rund 14.000 Tote und 115.000 Infizierungen.

Die Intensivbetten sind überbucht, was wiederum dazu führt, dass Ärzte mit der Triage begonnen haben. Wer zu alt oder zu krank ist, oder womöglich auch nur zu spät eingeliefert wurde, hat im Kernland des Katholizismus sein Recht auf Leben verwirkt.
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dpa
 
► Erst vor fünf Tagen hat auch die spanische Regierung das öffentliche Leben drastisch heruntergefahren. Zusätzlich zu den seit dem 14. März geltenden Ausgangssperren – die Bevölkerung darf noch für Einkäufe, zur Arbeit und auch nur einzeln raus – veranlasste Ministerpräsident Pedro Sánchez die Schließung „aller nicht lebenswichtiger Unternehmen“.

Seit dieser Woche sollen alle Berufstätigen, die nicht unbedingt notwendige Arbeiten verrichten, zwei Wochen lang zu Hause bleiben. Spanien, das war der Hintergrund der Verschärfung, hatte in den vergangenen Tagen fast alle zwei Minuten einen Corona-Toten zu verzeichnen.

Das Militär muss beim Transport der Leichen helfen. Anders als in Deutschland haben sich Teile der Wirtschaft gegen die Regierung gestellt. Antonio Garamendi, der mächtige Präsident des Unternehmerverbandes, polemisiert gegen den Premier.
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dpa
 
► In Deutschland wurden bisher knapp 85.000 Infizierte und 1100 Tote registriert, was von der Regierung als „Ruhe vor dem Sturm“ empfunden wird. Das Robert-Koch-Institut hält es mittlerweile für angebracht, den Bürgern das Tragen eines Mundschutzes zu empfehlen.

Das Gesundheitswesen schafft neue Kapazitäten für Intensivbetten und reaktiviert pensioniertes Klinikpersonal, um für den Sturm gerüstet zu sein. Erste Erfolge in der Eindämmung des Virus zeichnen sich ab – die Zahl der Tage, in denen sich die Neuinfizierungen verdoppeln, hat abgenommen. Lag die Verdopplungsrate vergangenen Sonntag noch bei fünf Tagen, sind es heute elf.

Gesundheitsminister Jens Spahn will von Entwarnung aber noch nichts wissen. „Der schwerere Teil kommt noch“, sagte er im „Morning Briefing“- Interview . Die Bevölkerung vertraut mehrheitlich dem Regierungskurs.
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Laut ARD-Deutschlandtrend von gestern Abend, der wiederum auf einer Messung im Zeitraum vom 30. bis zum 31. März beruht, sind 72 Prozent der Befragten zufrieden oder sehr zufrieden mit dem Corona-Krisenmanagement der Bundesregierung. „Bild“ spekuliert heute Morgen über eine weitere Amtszeit für Merkel.
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► Der britische Premier Boris Johnson – mittlerweile selbst mit dem Virus infiziert, ebenso wie sein Gesundheitsminister – hielt sich mit drastischen Einschränkungen lange zurück. Er setzte zunächst auf die Durchseuchung der Bevölkerung, um die sogenannte Herdenimmunität zu erreichen. Erst zwei Wochen nach dem Auftreten der ersten 100 Fällen entschied er sich zum Shutdown.
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In Zeitlupe wurde das öffentliche Leben, inklusive der Pubs, heruntergepegelt: Last Order! Am Mittwoch meldete Großbritannien erstmals mehr als 500 Tote innerhalb von 24 Stunden. Die Anzahl der Verstorbenen beträgt rund 2900 bei 34.000 Infizierten. Kliniken haben mittlerweile die Anweisung zur Triage erhalten. Nur Königin Elisabeth II. hat trotz ihrer 93 Jahren nichts zu befürchten.

Die Hausdame in Buckingham-Palast zählt für  die meisten Briten zur „kritischen Infrastruktur“.
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► Mit ungläubigem Staunen blickt die Welt nach Schweden, wo das öffentliche Leben bis auf wenige Einschränkungen weitergeht. Das Feiern in Gruppen mit bis zu 50 Personen ist erlaubt, Kindergärten, Parks und viele Restaurants – sofern sie Abstand gewährleisten können – sind weiterhin geöffnet.
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Der Plan der Regierung: Man will Infizierungen nicht per se vermeiden, nur eine Masseninfektion ist unerwünscht. Stefan Löfven, Chef der rot-grünen Minderheitsregierung sagt:
Es gibt eine individuelle Verantwortung, die muss jeder für sich selbst, für seine Mitmenschen und sein Land übernehmen. Wenn alle das tun, kommen wir als Gesellschaft durch diese Krise.“
Weite Teile der Gesellschaft ziehen mit. In Schweden werde bei unverantwortlichem Verhalten niemand mit Bußgeld bestraft, wohl aber mit dem Ausschluss aus der Gemeinschaft, sagt die Journalistin Lovisa Herold von „Dagens Nyheter“, der auflagenstärksten Morgenzeitung des Landes: „Wir vertrauen einander und dem System. Deshalb wollen wir es schützen.“
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► Als internationalen Champion feiern Experten die Republik Korea, wie sich Südkorea offiziell nennt. Bis heute zählt das Land mit seinen 52 Millionen Einwohnern nur 10.000 Infizierte und 174 Tote. Die exponentielle Zunahme, die Deutschland und andere quält, blieb bisher aus.
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In Südkorea tragen die Menschen alle Mundschutz. Durch Massentests wurden die Infizierten schnell ausfindig gemacht und isoliert. Über die App Corona 100m (Co100) wird überprüft, ob die Selbstisolation auch eingehalten wird.
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► Von der Weltgesundheitsorganisation wird auch das Vorgehen der Chinesen als vorbildlich bezeichnet. Nach allen Regeln der Autokratie riegelte China die Hotspots des Coronavirus ab, stellte die Einwohner – am stärksten betroffen war die Region Hubei mit ihrer Hauptstadt Wuhan – unter Quarantäne.

Während der Rest der Welt damit kämpft, den Infizierungen nachzujagen, nehmen die Neuinfizierungen in China quasi täglich ab. „Chinas Kontrollmaßnahmen scheinen gewirkt zu haben, indem sie die Übertragungskette erfolgreich durchbrachen“, sagt Christopher Dye, Wissenschaftler der Universität von Oxford. Der Flugverkehr beginnt sich zu normalisieren.
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Fazit: Die Welt ist in ihrem Erschrecken vereint und in der Sekunde danach getrennt. Doch womöglich sind wir gut beraten, nicht nur auf die Obrigkeit und ihre unterschiedliche Coronapolitik zu blicken, sondern in den Spiegel zu schauen. Jeder Einzelne muss eine Entscheidung fällen: Will er dem Virus Widersacher oder Wirt sein?
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Der kolumbianische Aphoristiker Nicolás Gómez Dávila rät uns – schon weit vor der Pandemie – zur Wahrnehmung der Eigenverantwortlichkeit„Der Mensch reift, wenn er aufhört zu glauben, dass die Politiker seine Probleme lösen.“
 
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Erstens: Bei der staatlichen Förderbank KfW sind rund 2500 Anträge im Umfang von 10,6 Milliarden Euro gestellt worden. Im Rahmen der Hilfsprogramme können jene Unternehmen Kredite beantragen, die nachweislich wegen der Coronakrise in finanzielle Schwierigkeiten geraten sind.

Zweitens: Die wirtschaftlichen Folgen der Coronapandemie haben bereits dramatische Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt in Spanien. Nachdem die Arbeitslosenzahlen im Februar noch rückläufig waren, haben dort seit dem 12. März fast 900.000 Menschen ihren Job verloren. In Spanien sind damit derzeit insgesamt 3,5 Millionen Menschen arbeitslos gemeldet.

Drittens: Auch viele Tradionsmedien leiden. Ihr Geschäftsmodell, das zur Hälfte auf Anzeigenfinanzierung setzt, gerät nun endgültig ins Schlingern. Werbung in Zeiten des Shutdown ist wie ein Swingerklub für Eunuchen – also sinnlos. Nun erwägt die „Spiegel“-Spitze um Chefredakteur Steffen Klusmann Mitte April Kurzarbeit einzuführen. Die Kosten sollen um zehn Millionen Euro gesenkt werden. Andere Traditionshäuser dürften folgen.
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Viertens: Der Flugverkehr in Deutschland ist infolge der Coronakrise massiv eingebrochen. Fluglotsen kontrollieren derzeit nur rund 15 Prozent des üblichen Flugverkehrsaufkommens. Das setzt den Fluggesellschaften massiv zu. So verhandelt Lufthansa – nach Information von Reuters – mit der Bundesregierung nicht nur über Finanzhilfen in Form von Krediten, sondern auch über eine Staatsbeteiligung.

Fünftens: Die US-Demokraten verschieben aufgrund der Pandemie ihren Nominierungsparteitag für die Präsidentenwahl auf die Woche ab dem 17. August. Ursprünglich war die Veranstaltung für den 13. bis 16. Juli in Milwaukee vorgesehen. Für die Republikaner ist eine Verschiebung nicht so schlimm. Präsident Donald Trump veranstaltet mit seinen täglichen Corona-Pressekonferenzen eine superlange Bewerbungsrede und die Nation schaut gebannt zu.
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Im Morning Briefing Podcast  begrüßt Sie heute „Welt“-Vize Robin Alexander mit folgenden Themen:

► Das ungarische Parlament hat sich de facto selbst entmachtet. Robin Alexander fragt bei Ungarns Botschafter Peter Györkös nach. Wie steht es um die Demokratie in seinem Land?

Dr. Sandro Gaycken, Gründer des Digital Society Institute an der privaten Hochschule ESMT in Berlin, spricht im Interview über das Tracken von Handynutzern zur Bekämpfung der Corona-Pandemie. Er berät die Bundesregierung zu genau diesem Thema.

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In der neuen Folge unseres Podcast-Zyklus „Der achte Tag“ spricht Elly Oldenbourg zu uns. Sie ist New Work-Expertin, entwickelt originelle Arbeitskonzepte für die Zukunft und fordert in ihrem Beitrag eine gesellschaftliche Diskussion über den Wert von Arbeit.
Vielleicht nehmen wir mit, wie vielseitig wir sind. Vielleicht bleiben wir dabei, dem etwas abzugewinnen, was nicht zuerst dem Leitbild des Homo Oeconomicus folgt.“
Flexibles Arbeiten erfährt derzeit einen totalen Boost, nicht nur in den Angeboten, sondern auch in der Forderung, strukturell anders arbeiten zu wollen. Und das Ganze auch jenseits von, ich gehe dann in Elternzeit.“
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Ich wünsche Ihnen einen schwungvollen Start in das Wochenende, auch wenn vieles anders ist als zuvor. Es grüßt Sie herzlichst Ihr

Gabor Steingart
Journalist & Buchautor
 
 
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