Afrika-Beauftragter Nooke warnt vor 100 Millionen Ausreisewilligen | Trumps Super Bowl
 

Gabor Steingart - Das Morning Briefing
03.02.2020
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Guten Morgen Tanja Welland,
wenn Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz heute zum Mittagessen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel zusammentrifft, steht ein Thema obenan, das er zu seinem gemacht hat. Es ist nicht die Klima-, sondern die Flüchtlingskrise. Die Fakten sind alarmierend:

► Pro Tag kommen laut Bundespolizei im Schnitt weiterhin 450 Flüchtlinge nach Deutschland, vor allem aus Syrien, Irak, Afghanistan und den Ländern Zentral- und Westafrikas.

► Im Polizeipodcast „Funkdisziplin“ sagt der Chef der Bundespolizei, Dieter Romann: „Die Migrationszahlen, die Asylzahlen, die Zahlen der unerlaubten Einreisen in die EU zeigen deutlich auf, dass wir keinen sicheren Schengen-Außengrenzschutz haben. Wir haben eine ernst zu nehmende grenzpolizeiliche Situation.“
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dpa
 
► Die Balkanroute, die 2016 von Österreich und den Balkanstaaten geschlossen wurde, steht teilweise wieder offen. Der Grenzschutz berichtet, dass die Landesgrenzen zwischen der Türkei und Bulgarien als „neue Lieblingsroute“ gelten.

► Die Zustände in den überfüllten Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln begründen mittlerweile eine humanitäre Notlage. 40.000 Flüchtlinge sitzen auf den Ägäis-Inseln fest, darunter 4000 Kinder. Alle, auch die griechische Regierung, warten auf einen EU-Verteilungsschlüssel.
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► Der Auswärtige Dienst der Europäischen Union warnt in einer Depesche vom 16. Januar, die im aktuellen „Spiegel“ zitiert wird, vor einer möglichen humanitären Krise in Libyen und einem weiteren deutlichen Anstieg der Flüchtlingszahlen: Die Lage in Libyen destabilisiere sich zunehmend.

Über die prekäre Lage im wichtigsten Mittelmeer-Anrainerland, von wo die Mehrzahl der afrikanischen Migranten Kurs auf Europa nimmt, spreche ich im Morning Briefing Podcast  mit dem Nordafrika-Korrespondenten Mirco Keilberth, der in Tunis lebt und Tripolis regelmäßig besucht. Er sagt:

Libyen wird die nächsten Jahrzehnte der Brückenkopf für Migration aus Subsahara-Afrika und den Sahel-Staaten sein.“

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Was also muss die Politik leisten? Wenn Angela Merkel eine Antwort auf diese Frage sucht, wendet sie sich an den persönlichen Afrika-Beauftragten der Bundeskanzlerin, ihren langjährigen Weggefährten Günter Nooke. Beide sind Physiker, beide gehörten in der Wendezeit zum Demokratischen Aufbruch. Seit zehn Jahren recherchiert, sondiert und analysiert er für Merkel die Lage in Afrika.
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dpa
 
Im Morning Briefing Podcast  sagt Günter Nooke:

Mein Bild von Afrika und Europa ist das von Weggefährten. Das heißt, man ist schicksalhaft miteinander verbunden. Man gewinnt und verliert gemeinsam, man überlebt vielleicht sogar nur gemeinsam. Diese große Herausforderung ist noch nicht allen ganz bewusst.“

Das Überleben Europas, wie wir es hier gewohnt sind, hängt mehr davon ab, wie die Entwicklung in Afrika verläuft als vom Klimawandel.“

Das, wovon ich spreche, sind die vielen jungen Menschen, die eine Perspektive für sich und ihre Familien brauchen. Es geht nicht um Hunderttausende oder eine Million Menschen. In den nächsten 20, 30 Jahren geht es vielleicht um 100 und mehr Millionen Menschen.“

Das zwingt uns dazu, die Afrikapolitik in einer anderen Dimension zu sehen. Wir müssen diese schicksalhafte Verbindung zwischen Europa und Afrika erkennen.“

Nooke empfiehlt eine Seenotrettung der Flüchtlinge, aber: Er rät dringend ab, die geborgenen Menschen nach Europa zu bringen:
Das Problem der Seenotrettung im Mittelmeer ist doch, dass alle nach Europa gebracht werden. Warum werden die nicht nach Afrika zurückgebracht? Dann würde das doch sofort anders laufen.“
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Man kann nur hoffen, dass die Kanzlerin und die, die ihr nachfolgen wollen, den Worten von Günter Nooke jene Bedeutung schenken, die ihnen gebührt. Der Mann versteht sich auf Umbrüche. Er ist der Sturmvogel, der von drohendem Unheil kündet.

 
Hier die aktuelle Lage in Sachen Corona:

► China hat den bisher stärksten Anstieg von Infektionen mit dem neuartigen Virus und Todesfällen innerhalb eines Tages gemeldet. An der Lungenkrankheit sind erneut 57 Menschen gestorben. 

► Nach neuesten Erkenntnissen kann sich das Virus nicht nur über Tröpfchen, sondern auch über das Verdauungssystem verbreiten. 
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► Die Krankheit hat nun 361 Menschen in der Volksrepublik das Leben gekostet. 

► Die Zahl der bestätigten Erkrankungen kletterte auf über 17.000 Fälle

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► Die Weltgesundheitsorganisation meldete den ersten bestätigten Todesfall außerhalb Chinas: Es handelt sich um einen auf die Philippinen gereisten Chinesen aus Wuhan.

► Chinas Notenbank stärkt das Finanzsystem des Landes mit einer hohen Geldspritze: Die Zentralbank stellte den Geschäftsbanken am Montagfrüh chinesischer Zeit 1,2 Billionen Yuan (rund 156 Milliarden Euro) Liquidität zur Verfügung.

Die gute Nachricht darf allerdings auch nicht verschwiegen werden. Der Coronavirus ist zwar aggressiv, aber er ist nicht automatisch tödlich. Bisher stehen – der Johns-Hopkins-Universität zufolge  – den Todesfällen 486 zwar infizierte, aber mittlerweile genesene Patienten gegenüber.
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Auch die beiden Deutschen, die am Wochenende mit 122 weiteren Menschen mit einem Bundeswehrflugzeug aus der stark vom Virus betroffenen Stadt Wuhan zurückgeholt wurden, befinden sich in gutem Zustand. Der Ärztliche Direktor des Uniklinikums Frankfurt sagt:
Sie werden gegenwärtig isoliert stationär betreut und sind medizinisch wohlauf.“
 
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Emmanuel Macron lässt sich von den Gelbwesten in seinem Reformeifer nicht ernsthaft bremsen. Jetzt will er Frankreich zur wichtigsten Digitalnation in Europa umbauen.

In unserer zweiten Ausgabe des „Tech Briefing”-Newsletters, den wir im Lauf des Vormittags veröffentlichen und für den Sie sich hier anmelden können , erklärt uns heute Christian Miele – Partner der Beteiligungsfirma Eventures, Präsident des Start-up-Verbands und Spross der gleichnamigen Industriellen-Dynastie – was Macron vorhat und was Deutschland davon lernen kann.

Außerdem starten wir bei Media Pioneer , das ist die Firma, die auch dieses Morning Briefing herausgibt, die Premierenausgabe des „Tech Briefing”-Podcasts mit einem der erfolgreichsten Start-Up-Unternehmer Deutschlands: Johannes Reck.

Aus einem Studentenprojekt in Zürich hat der studierte Biochemiker mit seinem Reise-Portal GetYourGuide in weniger als zehn Jahren die erfolgreichste Plattform für individuelle Reise- und Freizeitaktivitäten aufgebaut. Das Unternehmen hat nach sechs Finanzierungsrunden einen Wert von mehr als eine Milliarde Euro, ein „Unicorn“ also.
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Im Podcast-Gespräch mit Christian Miele warnt der 34-jährige Gründer die Große Koalition vor Zaghaftigkeit und legt sich in der Steuerpolitik mit SPD-Finanzminister Olaf Scholz an, der den deutschen Unternehmern mangelnde Kreativität vorgeworfen hatte:

Was die Digitalisierung angeht, haben wir seit Beginn der Großen Koalition nur Zeit verspielt.“

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Als Digitalunternehmer habe ich in den vergangenen zehn Jahren keinerlei Initiative oder Umsetzungsvermögen gesehen. Das muss sich ändern. Von mir aus kann die Linke an der Regierung sein, solange sie diese Themen umsetzt.“

Den Podcast gibt es bei Apple Podcasts , Spotify  oder Overcast .
 
was heute noch wichtig wird

► Heute gibt es in Washington die Abschlussplädoyers im Amtsenthebungsverfahren gegen US-Präsident Donald Trump. Was als K.o.-Schlag geplant war, dürfte als Triumph für Trump enden.

► Dienstag: Die erste Vorwahl im US-Präsidentschaftswahlkampf findet im Bundesstaat Iowa statt. Der finanzstärkste Kandidat Michael Bloomberg tritt nicht an. Er steigt später ins Rennen ein.

► Mittwoch: US-Präsident Trump hält die traditionelle Rede zur Lage der Nation im US-Kongress. Wer die Davos-Rede verfolgt hat, kennt nicht den Text, aber den Sound: America is great again.

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► Mittwoch: Auf der Siemens-Hauptversammlung muss Joe Kaeser vor seine Anteilseigner treten. In der Halle wird es Unmut an seinem Managementstil geben, vor der Halle wollen Klimaaktivisten gegen die Lieferung einer Zugsignalanlage für ein riesiges Kohlebergwerk in Australien demonstrieren.

► Mittwoch: Bei der Ministerpräsidentenwahl in Thüringen will Bodo Ramelow Chef einer rot-rot-grünen Minderheitsregierung werden. Seine Chancen stehen nicht gut, sondern exzellent.
 
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Rund 620.000 Amerikaner schauen pro Tag CNN. Rund 1,4 Millionen Amerikaner pro Tag schalten Fox News ein. Aber rund 100 Millionen Amerikaner haben heute Nacht den Super Bowl gesehen, das Finale der US-Football-Saison.

Die Halbzeitpause des Sport-Events wurde musikalisch durch den  Auftritt der Popstars Shakira und Jennifer Lopez veredelt. Politisch traten die Werbespots der Milliardäre Donald Trump, Republikaner, und Michael Bloomberg, Demokrat, gegeneinander an. Kostenpunkt: jeweils zehn Millionen US-Dollar. Trump stellte seine ökonomische Bilanz heraus. In dem TV-Spot  heißt es:

Unter Präsident Trump ist Amerika stärker, sicherer und erfolgreicher als je zuvor.“

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YouTube/Donald J Trump

Selbstbewusst fügt er an:

Das Beste kommt erst noch.“

Bloomberg setzt auf Negative Campaigning und ließ die hinterbliebene Mutter eines durch Waffengewalt umgekommenen 20-Jährigen zu Wort kommen . Die lobt den Demokraten Bloomberg als Kämpfer gegen die Waffenlobby.

Als ich hörte, dass Mike in den Ring tritt, dachte ich: ,Jetzt haben wir einen echten Kämpfer im Ring.‘ Mike setzt sich für jedes Kind ein, weil jeder ein Recht auf Leben hat. Niemand darf dem anderen seine Hoffnungen und Träume wegnehmen.“

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YouTube/Mike Bloomberg

Trumps Vorteil: Seine Wahlwerbung war an die Adresse aller Amerikaner gerichtet. Der Mann hat – mangels interner Herausforderer – seine Wiederwahl-Kampagne hiermit gestartet.

Bloomberg dagegen musste sich an die Linken innerhalb der Demokratischen Partei wenden, ohne die er die Vorwahl nicht bestehen kann. Sein Spot dürfte viele Wähler der Mitte eher an die Seite von Trump rücken lassen. Viele glauben an die heilsame Wirkung von Waffen. Die National Rifle Association hat fünf Millionen Mitglieder. Sie ist Trumps Armee. Und er ist ihr Posterboy.

Ich wünsche Ihnen einen schwungvollen Start in die neue Woche. Herzlichst grüßt Sie Ihr


Gabor Steingart
Journalist & Buchautor

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Die neue Folge unseres Podcasts „Wall Street Weekly“ ist jetzt online. Börsen-Reporterin Sophie Schimansky beschäftigt sich darin ausführlich mit den Aktien von Facebook, Snap und Twitter.
 
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Der Ökonom Dr. Daniel Stelter schaut in der neuen Folge seines Podcasts „Beyond the Obvious“ unter anderem auf die wirtschaftlichen Auswirkungen des Coronavirus.
 
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