07.04.2022
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Guten Morgen ,
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mit der Kraft der Gräuelbilder versucht man, die deutsch-russische Aussöhnung nach dem Zweiten Weltkrieg als unzeitgemäße Anschauung zu diskreditieren. In den Köpfen der Menschen will man das auslösen, was Stefan Zweig einen „Aufpeitschungsdienst“ nannte: Da ist sie wieder, die „unbändige Lust, Gefühle und Ideen noch ganz heiß aus sich herauszustoßen.“
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Helmut Kohl und Michail Gorbatoschow © dpa
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Einen Helmut Kohl, der ein großer Versöhnungspolitiker war, schützt sein Jahrhunderterfolg einer friedlichen deutsch-deutschen Vereinigung, notariell beurkundet von Michael Gorbatschow. Auch an Willy Brandt, den Vater aller Entspannungspolitiker, traut man sich nicht heran. Der Friedensnobelpreis wirkt wie eine Boosterimpfung gegen die Gifte der Gegenwart.
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Willy Brandt und Leonid Breschnew © imago
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Aber alle anderen finden sich im Fadenkreuz der Scharfmacher wieder: Schröder. Steinmeier. Merkel. Peng. Seit den Gräueltaten von Butscha wird mit einer Grundkonstante der deutschen Außenpolitik seit 1945 abgerechnet. Der Konsens, dass, nach dem Angriffskrieg der deutschen Wehrmacht mit mindestens 27 Millionen getöteten Russen in den deutsch-russischen Beziehungen eine schuldbewusste Demut zu walten habe, scheint beendet. Das politische Konzept vom Wandel durch Annäherung, gedacht auch als Neuanfang nach einer mörderischen Beziehung, wird nun von vielen im Ordner der gescheiterten Ideen abgeheftet.
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Deutscher Russlandfeldzug © imago
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Bühne frei für die neue Schonungslosigkeit. Putins Armee mordet in Butscha und anderswo. Und bei uns wird innenpolitisch zurückgeschossen. CDU-Chef Friedrich Merz hat seine parteipolitische Bazooka bereits in Stellung gebracht; er verlangt die Einsetzung einer Enquete-Kommission, die sich um die Verstrickungen, wie er es nennt, von SPD-Politikern in der Ostpolitik kümmern soll. Das dann auch die Rolle von Angela Merkel untersucht werden müsste, fordert er nicht. Aber das ist ein für ihn durchaus vorteilhafter Kollateralschaden.
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Wolodymyr Selenskyj © dpa
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„Ich lade Frau Merkel ein, Butscha zu besuchen und zu sehen, wozu die Politik der Zugeständnisse an Russland in 14 Jahren geführt hat", sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in einer Videobotschaft. „Alle Russen sind gerade unsere Feinde“, heizt der ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, das Klima an. Er habe keinerlei russische Freunde und er wolle auch keine haben. Russland sei für ihn ein „Feindstaat” und werde „wahrscheinlich auch nach dem Krieg, ein Feindstaat bleiben“, sagte er der FAZ. Diese neue Gnadenlosigkeit ist bereits auf die deutsche Zivilbevölkerung übergesprungen. „Aufgrund der schweren Menschenrechtsverletzungen durch den geistesgestörten Putin lehnen wir grundsätzlich die Behandlung russischer Patienten ab“, schrieb die Direktorin der Universitätsklinik München in einem offiziellen Schreiben. Nach Bekanntwerden kassierte die Uni-Leitung diese Anweisung. Die Selektion an der Klinikpforte findet nicht statt.
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Der demokratische Mehrheitsführer im Senat, Chuck Schumer aus New York, ruft den Betreiber einer europäischen Klinikkette an und fordert ihn auf, seine Kliniken in Russland zu schließen, wissend, dass dies den Tod von Patienten bedeuten würde. Der CEO verweigert sich. Wer sich nicht schnell genug vom russischen Präsidenten distanziert, verliert seinen Job, wie Valery Gergiev, der russische Chefdirigent der Münchner Philharmoniker. Wer – wie Merkel – den Dialog mit Putin auch nach dessen völkerrechtswidriger Krim-Annexion aufrecht erhielt, steht plötzlich als zwielichtige Type in allen Zeitungen.
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Angela Merkel und Wladimir Putin © Imago
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Jetzt, wo Krieg herrscht und die heißeste Ware unter der Sonne der Schützenpanzer ist, wird tabula rasa gemacht mit Gesprächsdiplomatie, kulturellen Austauschprogrammen und dem Geist der Aussöhnung. Die evidenzbasierte Auseinandersetzung mit einem jahrelang lustlosen Nato-Engagement, zu hoher Energieabhängigkeit und den potemkinschen Dörfern namens Minsk 1 und Minsk 2 geht im Spektakel unter. Hardliner aller Länder verlangen nach politischer Härte, militärischer Rüstung und kultureller Polarisierung. Man könnte meinen, der Kalte Krieg wird als Remake nochmal auf die Bühne geholt. Der Westen will sich spüren. Der mediale Wind bläst denen, die zu Maß und Mitte aufrufen, eiskalt ins Gesicht. Unverhohlen wird nach einer deutschen Kriegsbeteiligung gerufen. FAZ-Herausgeber Berthold Kohler spricht vom „Hindernis in den Köpfen der Politiker, das überwunden werden muss“ und fordert die Aufrüstung der ukrainischen Soldaten mit “Waffen, mit denen sie in die Offensive gehen können.“ Stefan Zweig sprach von den „Hasstrommeln”, die geschlagen werden. Er hat die Grundstimmung vor dem Krieg in seinem Erinnerungsbuch „Die Welt von Gestern“ trefflich beschrieben:
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Krieg läßt sich mit Vernunft und gerechtem Gefühl nicht koordinieren. Er braucht einen gesteigerten Zustand des Gefühls, er braucht Enthusiasmus für die eigene Sache und Hass gegen den Gegner.
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Stefan Zweig im Kriegsarchiv, 1914 © ÖNB Bildarchiv
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Fazit: Die Deutschen sollten denselben Fehler nicht zum dritten Mal begehen. Wir bekämpfen Putin. Aber wir bekämpfen nicht die russischen Bürger. Im besten Falle wird es später heißen: Die Deutschen haben aus ihrer Geschichte gelernt. Diesmal wurde nicht zurückgehasst.
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Karl Lauterbach © dpa
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Es ist nicht der erste, aber der kurioseste, womöglich der größte Fehler seiner bisherigen Amtszeit: Gesundheitsminister Karl Lauterbach wollte, dass sich Corona-Infizierte bald nicht mehr verpflichtend in Isolation begeben müssen, sondern nur noch freiwillig. Ein Plan, der nicht einmal 36 Stunden Bestand hatte. Nach Kritik aus Expertenkreisen, Debatten in der Fraktion und eigener Einsicht wählte Lauterbach die Talkshow von Markus Lanz, um seinen Fehler einzugestehen. Meine Kollegen Gordon Repinski und Rasmus Buchsteiner haben die Vorgänge detailreich rekonstruiert: Vom Austausch mit den Gesundheitsministern der Länder am Montag, einer turbulenten Fraktionssitzung am Dienstag im Plenarsaal des Bundestages, über Lauterbachs Fahrt ins Studio von Markus Lanz in Hamburg-Altona bis zum dann folgenden, nächtlichen Tweet des Ministers. Gepostet um 2:37 Uhr. Lesen Sie hier die vollständige Rekonstruktion
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Die amerikanischen Wirtschaftsführer befinden sich auf dem besten Weg, ihre eigene Vergütung für das vergangene Jahr auf ein Rekordniveau zu heben: Das Mediangehalt der CEOs bei den 196 größten amerikanischen Firmen, die bereits ihre Jahreszahlen offengelegt haben, liegt mit 14,3 Millionen Dollar 20 Prozent über der Vergütung des Vorjahres. In der Business Class Edition lesen Sie exklusiv wie die Gehälter der amerikanischen CEOs gestiegen sind. Auch an der Wall Street schießen die Gehälter in die Höhe: JP Morgan, Goldman Sachs & Co. verteilen munter Gehaltserhöhungen und Bonuspakete in der Führungsetage und an ihre Jungbanker. Doch inzwischen haben sie ein Problem: Ihnen droht der Vorwurf unnötiger Exzesse auf der einen Seite, während talentierte Banker anderswo die Chance auf mehr Geld bei besseren Arbeitsbedingungen wittern. Wie sich die Banker heimlich nach mehr sehnen und wie sie diese Herausforderung meistern wollen, hat mein Kollege Lukas Herrmann unter die Lupe genommen. Hier lesen Sie seine Analyse.
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Vor 50 Jahren veröffentlichte eine Forschungsgruppe des MIT im Auftrag des Club of Rome die Studie “Die Grenzen des Wachstums”. Die Analyse warnte, dass bei einer Ausbeutung unserer Ressourcen die Wachstumsgrenzen der Erde im Laufe der nächsten hundert Jahre erreicht werden. Doch es kam anders. Die Welt sollte ihren bisher größten Wachstumsschub erst noch erleben und noch immer sind die Grenzen des Wachstums nicht in Sicht. Prof. Michael Hüther vom Institut der deutschen Wirtschaft erklärt, warum das so ist :
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Im Achten Tag spricht Alev Doğan mit der Ökonomin Prof. Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung über die Warnungen der Wissenschaft vor der Abhängigkeit von russischen Energieimporten und der Suche nach Alternativen zu fossilen Brennstoffen. Kemfert ist der Auffassung, dass Deutschland bereits in zehn Jahren eine Vollversorgung aus Erneuerbaren Energien erreichen könnte.
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Wie ist es, als Wirtschaftsboss in die Politik zu wechseln? Darüber spreche ich in der heutigen Folge des Pioneer Podcasts mit Thomas Geisel. Er war Energiemanager bei E.ON und anschließend von 2014 bis 2020 SPD-Oberbürgermeister der Stadt Düsseldorf. Teilweise regierte Geisel mit einem unkonventionellen Politikstil, was ihm nicht nur Freunde einbrachte. Er trat zum Karneval als Charlie Chaplin auf, er holte die Tour de France nach Düsseldorf, er verpflichtete den Skandal-Rapper Farid Bang – dessen Texte mitunter homophob sind – um die Jugendlichen in der Düsseldorfer Altstadt auf die Einhaltung der Corona-Schutzmaßnahmen aufmerksam zu machen.
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Farid Bang hat ein tolles Video gedreht. Es wurde 400.000 Mal angeklickt, aber es gab natürlich trotzdem einen fürchterlichen Shitstorm. Ich musste es dann aus dem Netz nehmen, weil alle Fraktionen im Stadtrat einen unglaublichen Druck ausgeübt haben.
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Klich aufs Bild führt zur Podcast-Page
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Nach seiner Abwahl im September 2020 hat Geisel ein Buch geschrieben. In „Grenzgänger” lässt er sechs Jahre Kommunalpolitik „Revue passieren”.
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Ich dachte immer, wenn die Performance gut ist, wenn man viel für die Stadt erreicht, dann wird man auch erfolgreich sein.
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Jedoch wurde er eines Besseren belehrt:
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Die Kriterien sind etwas komplexer. Ich glaube, es gehört auch ein gewisses Maß an Geschmeidigkeit dazu. Es gehört ein hohes Maß an Konfliktvermeidung dazu. Und manchmal geht es auch darum, weniger erreichen zu wollen.
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Fazit: Hier erzählt einer, der quer ein- oder abrupt ausgestiegen ist, seine Lebens- und Leidensgeschichte. Wir lernen, was wir bisher nur ahnten: Politik ist zuweilen nur ein anderes Wort für Schmerztherapie.
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Ich wünsche Ihnen einen kraftvollen Start in den neuen Tag. Es grüßt Sie auf das Herzlichste, Ihr
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Gabor Steingart Herausgeber ThePioneer
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