WELTGo!
Journalismus neu erleben und produktiver werden
Ihr Assistent Journalismus neu erleben und produktiver werden
WELTGO! ENTDECKEN
  1. Home
  2. Debatte
  3. Kommentare
  4. Doktortitel: Giffey sollte ihren Rücktritt anbieten

Meinung Giffeys Doktortitel

Viele Sozialdemokraten fahren gerade Doppelmoral als Strategie

Giffey – „Ich nehme zuerst meiner Universität gegenüber Stellung, dann der Presse“

Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) verzichtet auf das Führen ihres Doktortitels. Das teilte die stellvertretende Vorsitzende des Berliner Landesverbands, Iris Spranger, mit. Noch kurz zuvor wurde Giffey in einer Pressekonferenz dazu befragt.

Quelle: WELT

Autoplay
Die Akte „Promotion Giffey“ droht durch das Verhalten der Ministerin zu einem viel größeren Problem zu werden als eine schlechte Doktorarbeit. Die gleichen Regeln, die Sozialdemokraten bei Guttenberg einforderten, gelten plötzlich nicht mehr.

Die SPD ist die Partei der Solidarität, vor allem für Menschen, die ein SPD-Parteibuch haben. „Großer Respekt vor deiner Entscheidung, liebe Franziska #Giffey. Wir stehen solidarisch an deiner Seite!“, schreibt der Berliner Landesverband an die Bundesministerin, die Berliner Bürgermeisterin werden möchte.

Den „großen Respekt“ und das solidarische An-der-Seite-Stehen erhält Giffey von ihren Genossen dafür, dass sie ihren Doktortitel nicht mehr tragen möchte. Meine Auffassung war bislang, dass Respekt für Leistung gezollt wird und nicht für das verdruckste Eingeständnis, keine oder nur eine minderwertige erbracht zu haben.

Lesen Sie auch
IMG_4313.jpg
Plagiatsvorwürfe gegen Giffey

Giffey will auf ihren Doktortitel verzichten, weil die Freie Universität Berlin eine erneute Prüfung diverser Plagiatsvorwürfe gegen sie angekündigt hat – und es sieht nicht gut aus für die Ministerin. (Dass die Uni zwei Mal prüfen muss, ist, nebenbei bemerkt, ein Wissenschaftsskandälchen im Politikskandal.) Nun verhält sich Giffey wie ein Dieb, dem die Polizei auf den Spuren ist – und der nur deshalb zurückgibt, was ihm nicht gehört.

„Dieb“ ist harter Tobak. Ich bin nicht als Erster auf das Wort gekommen. Die SPD hat es verwendet, als Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) in einer ähnlichen Lage war wie Franziska Giffey heute. Damals forderten die Sozialdemokraten seine Entlassung, viele Genossen hauten verbal so feste drauf wie möglich.

Zum Beispiel Björn Böhning, Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit: „Guttenberg will auf Doktortitel verzichten. Aber den akademischen Grad kann man gar nicht zurückgeben. Betrug oder kein Betrug ist die frage (sic)“, schrieb der Sozialdemokrat damals. Derselbe Mann tönt heute: „Respektable Entscheidung von Franziska Giffey!“ Böhning ist nur einer von vielen Sozialdemokraten, die in diesen Tagen Doppelmoral als Strategie fahren.

So droht die Akte „Promotion Giffey“ durch das Verhalten der Ministerin und ihrer Unterstützer zu einem viel schwerwiegenderen Problem zu werden als eine weitere minderwertige wissenschaftliche Arbeit. Mal wieder schaut der Bürger zu, wie nicht für alle die gleichen Regeln gelten sollen, wie getrickst und gedreht wird. Vergangenen Sommer hatte Giffey einem Bericht zufolge angekündigt, ihren Rücktritt anzubieten, falls ihr der Titel durch die Uni entzogen werde. Sie sollte daran festhalten.

Dieser Text ist aus der WELT AM SONNTAG. Wir liefern sie Ihnen gerne regelmäßig nach Hause.

Quelle: Welt am Sonntag

Mehr aus dem Web
Neues aus der Redaktion
Auch interessant
Mehr zum Thema