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Meinung Volkswagen

Der Vergleich kommt, das Stigma bleibt

Wirtschaftsreporter
Der Dieselskandal bleibt an Deutschland auf ewig haften, schreibt WELT-Autor Olaf Preuß Der Dieselskandal bleibt an Deutschland auf ewig haften, schreibt WELT-Autor Olaf Preuß
Der Dieselskandal bleibt an Deutschland auf ewig haften, schreibt WELT-Autor Olaf Preuß
Quelle: dpa/dpa-Zentralbild/Hendrik Schmidt; Bertold Fabricius
Ein Verfahren gegen die VW-Topmanager Diess und Pötsch im Zusammenhang mit dem Dieselskandal wird eingestellt. Beide zahlen dafür 4,5 Millionen Euro. Das wirkt wie moderner Ablasshandel – ist aber in diesem Fall gar nicht das Hauptproblem.

Die Staatsanwaltschaft Braunschweig kann den Volkswagen-Topmanagern Herbert Diess und Hans Dieter Pötsch offenbar nicht nachweisen, dass sie Aktionäre und Kapitalmarkt im Jahr 2015 zu spät über den Dieselskandal informiert haben.

Die Angeklagten verzichten dennoch darauf, den Prozess bis zu einem Urteil und einem möglichen „Freispruch erster Klasse“ durchzufechten. Unter Mitwirkung des Gerichts vereinbarten alle Beteiligten die Einstellung des Verfahrens. Der Konzern zahlt für beide Manager jeweils 4,5 Millionen Euro Geldauflage. Diess und Pötsch bleiben frei von Vorstrafen. Der Dieselgate-Makel aber haftet weiterhin am Konzern.

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Was wie moderner Ablasshandel wirkt, ist für Volkswagen und seine beiden Manager völlig schlüssig: Das Unternehmen und die Angeklagten vermeiden damit einen monatelangen öffentlichen Prozess, deren Hauptdarsteller der Vorstandsvorsitzende und der Aufsichtsratsvorsitzende gewesen wären. In der aktuellen Lage, in der Corona-Pandemie und Krise der Automobilbranche zusammenkommen, ist das verständlich.

Das Hauptproblem liegt woanders: Seit Mitte des vergangenen Jahrzehnts hatten VW und die Tochtermarke Audi Millionen Fahrzeuge mit illegaler Digitaltechnik und Abschalteinrichtungen so manipuliert, das überhöhte Stickoxidwerte bei Abgastests nicht auffielen. Die Last für das Unternehmen an Strafzahlungen und Entschädigungen beläuft sich bis dato auf mehr als 30 Milliarden Euro.

Nicht genügend Beweise und Indizien

Immens ist auch der Schaden für betrogene Autokäufer, worunter wiederum auch die Justiz ächzt: Allein in Deutschland sind noch mehrere Zehntausend Zivilklagen auf Schadensersatz anhängig.

Vor fünf Jahren deckte eine US-Behörde die Manipulationen auf. Seither wurden Unmengen teils nichtiger Details bekannt. Eine hinreichende Aufklärung fehlt indes.

Unklar bleibt, wer im Volkswagen-Konzern die Verantwortung trägt und wie ein Betrug solchen Ausmaßes überhaupt möglich war. Das große Bild von Dieselgate erscheint bis heute unscharf und surreal.

Einige Topmanager wurden angeklagt: Der frühere Audi-Chef Rupert Stadler saß in Untersuchungshaft und musste den Konzern verlassen. Im Visier der Justiz ist weiterhin auch der langjährige Konzernchef Martin Winterkorn.

Einerseits läuft gegen ihn ein Verfahren mit dem gleichen Vorwurf wie gegen Pötsch und Diess – dass er die Volkswagen-Aktionäre und den Kapitalmarkt nicht rechtzeitig informiert habe.

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In einem zweiten Verfahren prüft das Landgericht Braunschweig, ob die Anklage gegen Winterkorn überhaupt zugelassen wird – dort geht es um die eigentlichen Manipulationen an den Dieselfahrzeugen bei VW. Vieles deutet darauf hin, dass dieser Prozess nicht stattfinden wird, weil es nicht genügend Beweise und Indizien gegen Winterkorn gibt.

Das Stigma bleibt

Konzernchef Herbert Diess kam erst 2015 von BMW zu Volkswagen, seinerzeit als Chef der Hauptmarke VW. Es scheint nachvollziehbar, dass er von den Diesel-Manipulationen nichts wusste. Aber Pötsch und Winterkorn?

Winterkorn, Vorstandsvorsitzender von 2007 bis 2015, verbrachte den weitaus größten Teil seines Berufslebens bei VW. Er war ein enger Weggefährte des inzwischen verstorbenen Konzernpatriarchen und Miteigners Ferdinand Piëch.

Ist es vorstellbar, dass ein so mächtiger Manager in einem streng hierarchisch geführten Haus wie Volkswagen von solch einem universellen Betrug nichts gewusst haben soll? Ausgerechnet der promovierte Metallphysiker Winterkorn, der wie auch Piëch detailversessen an der Weiterentwicklung von Autos arbeitete?

Winterkorn bestreitet jede Kenntnis der Software-Manipulationen. So auch Pötsch, der 2003 Finanzvorstand von Volkswagen geworden war und 2015 Piëchs Nachfolger an der Spitze des Aufsichtsrates wurde. Auch er sagt, er habe von Dieselgate nichts gewusst.

Es könnte also sein, dass dieser Fall – einer der größten deutschen Industrieskandale – nie völlig aufgeklärt wird. Gerade der jetzige Vergleich mit Blick auf Hans Dieter Pötsch lässt darauf schließen. Wenn bei Dieselgate aber am Ende nicht maximale Transparenz und Aufklärung steht, bleibt das Stigma für immer an Volkswagen haften – und damit auch an „Made in Germany“ insgesamt.

Verfahren gegen VW-Spitze soll eingestellt werden

Das Verfahren gegen VW-Boss Herbert Diess und den Aufsichtsratsvorsitzenden Pötsch soll gegen eine Millionenzahlung eingestellt werden. Gegen beide wurde im Zuge des Abgasskandals wegen des Verdachts der Marktmanipulation ermittelt.

Quelle: WELT/Marian Grunden

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